Weihnachtsbrief 2022

Angriffskrieg, Zeitenwende, Klimakrise, Dürre, Hitzesommer, Wassermangel, Deglobalisierung, Dekarbonisierung, Demografischer Wandel, Umsatzeinbruch im Bio-Fachhandel bis zur Insolvenz großer Bio-Handelsketten (Superbiomarkt AG) und namhafter Hersteller (Biomare und Chiemgauer Naturfleisch). Corona wurde abgehängt.

Welche Auswirkungen bekam und bekommt die kleine Blattlaus davon zu spüren?

Nach zwei durch die Pandemie verursachten turbulenten Jahre auf der Überholspur mit selten weniger als 80 Wochenstunden für mich und meine Frau- trotz etlicher neuer Mitarbeiter- kam mit dem Kriegsbeginn im Februar die langsame aber stetige Abbremsung hin zur Kriechspur.

Dem gesamten Bio-Fachhandel ist in 2022 ca. ein Drittel Umsatz weggebrochen. Die Verbraucher in Deutschland sparen in Krisenzeiten halt zuerst bei den Lebensmitteln.

Die Bio(-gemüse) Erzeuger hatten jedoch mit ähnlich hoher Nachfrage wie im letzten Jahr geplant und weil diese nicht da war stand viel zu viel Gemüse auf den Bio-Äckern und musste gemulcht und als superteure Gründüngung wieder in den Boden eingearbeitet werden. Auch ich habe im Juni ca.  50 .000 schöne Salate vernichtet. Dann kamen der heiße Sommer und die Urlaubszeit – man durfte endlich wieder verreisen- und die Nachfrage ging noch weiter zurück. Auch von den kleineren Folgesätzen an Salat haben wir keine nennenswerten Mengen verkaufen können. Ich habe dann die weiteren Pflanzungen für den Rest der Saison storniert, um nicht noch mehr Kraft und Kosten zu vergeuden.

Von meinem frühen Sommerlauch, der normal problemlos an den Großhandel verkauft wird, konnte immerhin ein Drittel abgesetzt werden. Was noch steht wurde im Sommer von der Lauchmotte befallen. Wir suchen die besten Stangen noch für den Hofladen und den Lieferservice heraus- aber Spaß macht es keinen mehr.

Es gab aber auch ein paar Lichtblicke im Anbau. Mit meinen früh gesäten Buschbohnen- sie bekamen im April eine Schneedecke kurz nach dem Keimen und haben überlebt! – war ich 3Wochen lang der einzige Anbieter am Markt und konnte die Ernte der kleinen Fläche komplett verkaufen.

Der Weizen hat trotz der monatelangen Trockenheit und ohne jegliche Düngung und Pflanzenschutz einen sehr guten Ertrag gebracht. Hier zeigen sich die Vorzüge einer guten Bodenstruktur mit entsprechenden Bodenlebewesen und Mikroorganismen! Übrigens bleibt der Weizen in der Region, die 3000 Hühner des Kleinsägmühler Hofs der Lebenshilfe in Altleiningen freuen sich über gutes Futter. Noch nie zuvor habe ich gesehen, dass Weizen in Deutschland beregnet wird. In der Pfalz war das dieses Jahr massiv zu beobachten. Wie verschwenderisch darf man noch mit Wasser umgehen? Die Alpengletscher gibt es nicht mehr allzu lange, dann wird der stolze Vater Rhein ein Rinnsal. Und wir haben für die Vorderpfalz kein Beregnungswasser mehr.

Der Kartoffelmarkt ist ebenfalls geprägt von fehlender Nachfrage. Alle großen und kleinen Kartoffelanbauer in unserer Bioland-Regionalgruppe haben Probleme, ihre Knollen zu verkaufen. Zum Teil liegen noch die Frühkartoffeln in den Lägern! Und das bei schwierigsten Produktions- und Erntebedingungen. Bei anhaltender Trockenheit sollen die Bestände zur Qualitätserhaltung (Drahtwurm!) feucht gehalten werden, dann aber explodiert bei absterbendem Kartoffellaub das Beikraut und die Ernte wird erschwert, weil das viele Unkraut den Vollernter verstopft und die Erntebänder blockieren.

Wir haben eine durchschnittliche Ernte gehabt, aber auch bei mir sind alle Kühllager voll mit Kartoffeln- ca. 25t warten auf Kunden. Im Januar werden wir deshalb zu unserem 30-jährigem Betriebsjubiläum Sonderaktionen mit Kartoffeln anbieten.

Das alles, die Hitze, Existenz- und Zukunftsangst, der Krieg in der Ukraine, Panikmache in den Medien, führten bei mir zu massiven Schlafstörungen, die in einer Depression endeten. Nichts und niemand half. Im August war ich nicht im Urlaub, sondern musste in die Klinik. Meine liebe und unermüdliche Frau, mein Sohn Paul und das Blattlaus-Team haben alles gegeben und das Blattlaus Schiff auch ohne Kapitän auf Kurs gehalten. Herzlichen Dank ihr Lieben. Ihr habt mir sehr geholfen. Mittlerweile habe ich mich wieder stabilisiert und kann, wie Sie merken, auch wieder klar denken. Aber es hat seine Zeit gebraucht.

Aber jede Krise bewirkt auch Neuerungen. Wie schon gesagt habe ich seit Juni nichts mehr angepflanzt, also gibt es zum ersten Mal seit Jahren keinen Feldsalat zu ernten. Keine Angst- es gibt genug schöne regionale Ware. Aber es ist jetzt Zeit da, um längst überfällige Projekte anzugehen:  Hof und Werkstatt aufräumen, Maschinen reparieren, neue Maschinenhalle planen, eine Anbaustrategie für die nächste Saison zu entwickeln. Auch das ist Balsam für die Seele, Ordnung zu schaffen!

Unser Sohn Paul hat im Frühjahr seine Meisterprüfung im Gemüsebau mit Bravour bestanden und war im Sommer einige Monate in Spanien auf einem Bio-Obstbaubetrieb arbeiten. Auch in 2023 will er noch Auslandserfahrung sammeln und danach in den Betrieb einsteigen. Es bleibt weiter spannend, wie wir unsere kleine Blattlaus, bei ins unermessliche wachsenden Pfälzer Bio-Betrieben, am Leben erhalten.

Mir liegt es sehr am Herzen, unseren treuen Kunden auch weiterhin Produkte aus eigenem Anbau anzubieten. Deshalb werden wir im nächsten Jahr wieder eine kleine Palette von Gemüse in kleinen Mengen und nur für unsere Direktvermarktung anbauen, um das Risiko und die Kosten gering zu halten. Natürlich sehe ich das exorbitante Wachstum der wenigen verbleibenden Großbetriebe, wie viele meiner Kollegen auch, sehr kritisch. Dort werden unglaubliche Wege zu den Feldern (bis 100km?) zurückgelegt und 10.000l Diesel und mehr pro Woche verbraucht. So können wir den Klimawandel nicht stoppen. Meines Erachtens sollte eine Region sich selbst versorgen und nicht die Vorderpfalz halb Europa mit Radieschen und Bundzwiebeln überschwemmen, nur weil die Betriebe die Kostenführerschaft bei diesen Produkten haben. Aber auf wessen Kosten und sicher nicht nachhaltig- wird da produziert?

Zum Thema Konsumverhalten und Wirtschaftspolitik empfehle ich wärmstens das Buch „All you need is less“ von M.Folkers und Niko Paech! Daraus ein Zitat von Mahatma Gandhi:

„Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier.“

Ohne Änderung unserer Lebensweise kollabiert die Erde in absehbarer Zukunft.

Ich habe dabei auch unsere Verantwortung als Ladenbetreiber im Blick. Welche Waren können wir noch guten Gewissens verkaufen? Unser aller ökologischer Fußabdruck muss kleiner werden. Können wir z. Bsp. das Lauretana-Wasser weiterhin anbieten?  Es wird in Santuario di Graglia im Piemont (grob zwischen Turin und Matterhorn) abgefüllt und wird günstigstenfalls 700 km mit dem LKW gefahren, bis es bei uns im Hof steht. Im Vergleich dazu Hornberger Lebensquelle aus dem Südschwarzwald 270km.  Aber dann ist es noch nicht bei Ihnen zuhause, es braucht noch mal eine Autofahrt. Wir werden diese Diskussion führen und wohl einige Artikel aussortieren.

Damit wollen wir natürlich auch ein Bewusstsein schaffen und zum Nachdenken über das eigene Konsumverhalten anregen. Kommende Generationen sollen ja auch auf und von der Erde, „im Logenplatz des Universums“ wie Manfred Folkers in „All you need is less“ die Erde beschreibt, leben können. Wir warten gerade auf die nächste Generation in unserer Familie, unsere Tochter Sarah erwartet im Dezember ihr erstes Baby. Dann kommen einem selbstverständlich die Gedanken, wie sieht das Leben dieses Erdenbürgers in 30 oder 80 Jahren aus? Und dessen Enkel?

Es gibt auch eine große Initiative für eine enkeltaugliche Landwirtschaft in Deutschland, googeln Sie mal. Ich denke unsere Politiker sollten schneller im Klimaschutz vorangehen, die meisten Menschen sind bereit dazu.

Viele Gedanken von mir- sollen Gedanken anstoßen und zu Taten reifen lassen.

Frohe Weihnachten und ein hoffentlich friedlicheres neues Jahr wünschen Ihnen

Christine Herold & Kalle Wingerter & das Blattlaus-Team



Neukunde? Jetzt Registrieren!


Ihr Warenkorb ist noch leer